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Colliding Worlds

Colliding Worlds

“[…] but at the time it all seemed quite natural”, heißt es in Lewis Carrols Klassiker Alice im Wunderland, als die gleichnamige Protagonistin auf die ersten Anzeichen einer fantastischen Welt trifft. Alice erscheint es nicht verwunderlich, dass ein sprechendes Kaninchen an ihr vorbei eilt. Was Carrol dort eindrücklich darstellt, ist ein Effekt selektiver Wahrnehmungsverschiebung: Das konstante Rauschen vorbeiziehender Informationen und Eindrücke kann, wie Alice es hier widerfährt, nur in Teilen aufgenommen und verarbeitet werden. Die Sinne versuchen, die wichtigen Informationen herauszufiltern und in bekannte Kategorien einzuordnen, doch es bleibt unumgänglich, dass auf dem Weg essenzielle Fragmente verloren gehen. 

So kommt es, dass sich ungewohnte Begebenheiten im Alltäglichen versteckt halten. Überdeckt und verschleiert von normativ geprägten Zeichen und Sprachcodes, gelernten Regeln und Tabus, steht es in einer wechselseitigen Beziehung mit dem Vertrauten. Das menschliche Bedürfnis, Bedeutung zu generieren, befeuert dabei unterbewusst die stetige Suche nach haltgebenden Mustern und Logiken und macht es dem Ungewohnten mitunter leicht, sich vor aller Augen zu verstecken. 

Umgeben von vorbeieilenden Reisenden und den staunenden Gesichtern wartender Fahrgäste steht der Modellbahnautomat, inmitten des regen Treibens der Bahnhofshalle. Dauerhaft ausgeleuchtet und durch einen Glasdeckel von der Außenwelt abgeschirmt, scheint die Zeit hier stillzustehen. Die Bewohner:innen verharren in ihren Posen und Autos warten endlos vor den Schranken des Bahnübergangs. Nur hin und wieder reißt das Rattern der fahrenden Modellzüge die Welt für einen Moment aus der Gleichförmigkeit dieser Zeitschleife. 

Das Kondensieren von realen Begebenheiten auf kleinstem Raum führt den Versuch der Simulation von Realität ad absurdum und verkehrt sich bei genauer Betrachtung ins Gegenteil. Die einzelnen Situationen, aus denen sich diese Szenerie konstruiert, mögen zwar – kopiert und verkleinert – der Realität entnommen sein, erzeugen aber in ihrer komprimierten und spielerischen Zusammenstellung ein Zerrbild. Lassen sich einige dieser Verzerrungen intuitiv erkennen und benennen, bleiben andere dieser Verzerrungen stumm. Erst in der Reflektion und mit etwas Abstand betrachtet, tut sich, wie bei Alice, eine Lücke für das auf, was zuvor höchstens als dumpfes Gefühl vorhanden war. Die Erschütterung, die entsteht, wenn das Erwartbare und das Erfahrbare einander nicht mehr entsprechen, bringt das Fundament unserer subjektiven Annahme von Realität kurzzeitig ins Wanken.

Unter dem Titel Colliding Worlds widmet sich die Miniaturbiennale II der Virtualität von Weltwahrnehmung. Zwölf künstlerische Positionen suchen und erzeugen Wahrnehmungsverschiebungen und Momente der Irritation inmitten der paradoxen Logik dieses scheinbaren Kleinstadtidylls. Das Fabelhafte, das Ungewohnte und das Unheimliche sickern in die Landschaften rund um die ziellos kreisenden Bahnstrecken ein.

„[…] but at the time it all seemed quite natural“, wrote Lewis Carrol in his classic ‘Alice in Wonderland’, as the eponymous protagonist encounters the first signs of a fantastic world. It comes as no surprise to Alice that a talking rabbit passes her. What Carrol impressively depicts there is an effect of selective shift in perception: the constant noise of passing information and impressions can only be partially absorbed and processed, as happens to Alice here. The senses try to filter out the important information and categorise it into familiar categories, but it is inevitable that essential fragments are lost along the way. 

As a result, unfamiliar events remain hidden in the everyday. Covered and veiled by normative signs and language codes, learnt rules and taboos, it is in a reciprocal relationship with the familiar. The human need to generate meaning subconsciously fuels the constant search for patterns and logics that provide stability and sometimes makes it easy for the unfamiliar to hide in plain sight. 

Surrounded by travellers hurrying past and the astonished faces of waiting passengers, the model railway automat stands in the middle of the hustle and bustle of the station concourse. Permanently illuminated and shielded from the outside world by a glass cover, time seems to stand still. The residents remain in their poses and cars wait endlessly in front of the railway crossing gates. Only now and again does the rattling of the moving model trains tear the world out of the uniformity of this time loop. 

The condensation of real events in the smallest of spaces reduces the attempt to simulate reality to absurdity and, on closer inspection, turns into the opposite. The individual situations from which this scenery is constructed may be taken from reality – copied and miniaturised – but in their compressed and playful composition they create a distorted image. While some of these distortions can be recognised and named intuitively, others remain mute. Only upon reflection and when viewed from a distance does a gap open up, as in Alice’s case, for what was previously present at most as a dull feeling. The shock that arises when what we expect and what we experience no longer correspond briefly shakes the foundations of our subjective assumption of reality.

Under the title Colliding Worlds, the Miniaturbiennale II is dedicated to the virtuality of world perception. Twelve artistic positions seek and create shifts in perception and moments of irritation in the midst of the paradoxical logic of this seemingly small-town idyll. The fabulous, the unfamiliar and the uncanny seep into the landscapes surrounding the aimlessly circling railway tracks.



Über

About

Die Miniaturbiennale, die 2022 von Alexander Janz und Felix Koberstein initiiert wurde, ist eine Reaktion auf aktuelle institutionelle Diskurse um Nachhaltigkeit und Zugänglichkeit bestehender Ausstellungsformate und eröffnet zugleich einen neuen, künstlerischen Möglichkeitsraum. Ziel des nomadisch angelegten Formats ist es, künstlerische Arbeiten zu präsentieren oder Projektideen zu realisieren, die sich entweder Miniaturen als Ausgangspunkt nehmen oder aufgrund von Größe, Kosten oder anderen Produktionsbedingungen bisher im realen Maßstab nicht umsetzbar waren.

Unter dem Titel A World To Work With fand die erste Ausgabe im Modellbahnautomaten am Düsseldorfer Hauptbahnhof statt. Die zweite Ausgabe der Miniaturbiennale wird von Alexander Janz, Felix Koberstein und Klara Hülskamp kuratiert und eröffnet 2024 am Frankfurter Hauptbahnhof.

Nach mehr als 60 Jahren endete 2023 die Betreuung der Automaten durch die Firma Werner Ehret und Co. und es fand sich mit der Wimmelbahn GmbH ein neuer Betreiber. Als Trägerverein wurde im Herbst 2023 der Miniaturbiennale e.V. – Verein zur Förderung von Miniaturen und Modellen in der Kunst der Gegenwart gegründet.

The Miniaturbiennale, which was initiated by Alexander Janz and Felix Koberstein in 2022, is a reaction to current institutional discourses on sustainability and accessibility of existing exhibition formats and at the same time opens up a new artistic space of possibility. The aim of the nomadic format is to present artistic works or realise project ideas that either take miniatures as their starting point or could not previously be realised on a real scale due to size, costs or other production conditions.

Under the title A World To Work With, the first edition took place in the model railway vending machine at Düsseldorf Central Station. The second edition of the Miniaturbiennale is curated by Alexander Janz, Felix Koberstein and Klara Hülskamp and will open at Frankfurt Central Station in 2024.

After more than 60 years, Werner Ehret und Co. ceased to operate the machines in 2023 and a new operator was found in the form of Wimmelbahn GmbH. The Miniaturbiennale e.V. – Association for the Promotion of Miniatures and Models in Contemporary Art was founded in autumn 2023. 

Standort

Location

Der Automat befindet sich in der Bahnhofshalle des Frankfurter Hauptbahnhofs, Richtung Südeingang (Mannheimer Straße), zwischen Gleis 1 und 2.

The model railway station is located in the concourse of Frankfurt Central Station, towards the south entrance (Mannheimer Straße), between platforms 1 and 2.

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Team

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Felix Koberstein

Felix Koberstein

Klara Hülskamp

Klara Hülskamp

Alexander Janz

Alexander Janz


Presse

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Dank

Thanks to

Unser besonderer Dank gilt: Matthias Hartmann und der Wimmelbahn GmbH, Jakob Heinrich, Paula Heinrich, Peter Hess, Helena Kierst, Gregor Kieseritzky, Sebastian Neubauer, Erik Arkadi Seth und Jasmin Meinold.

Our special thanks go to: Matthias Hartmann and Wimmelbahn GmbH, Jakob Heinrich, Paula Heinrich, Peter Hess, Helena Kierst, Gregor Kieseritzky, Sebastian Neubauer, Erik Arkadi Seth and Jasmin Meinold.


Die Ausstellung wurde ermöglicht durch:

The exhibition was made possible by: